AstraZeneca und die Untiefen der Namensänderung

Kommentar in der W&V

von Peter A. Ströll LL.M. Eur
Geschäftsführer NAMBOS / Rechtsanwalt

Die Versäumnisse bei der Impfstoff-Umbenennung: Peter A. Ströll, Geschäftsführer der Namensagentur NAMBOS und Markenjurist, weiß, was bei der Impfstoff-Umbenennung falsch gelaufen ist: AstraZeneca hätte frühzeitiger kommunizieren müssen. Jetzt wirkt alles wie “Cleanwashing”.

Die Umbenennung des AstraZeneca-Impfstoffprodukts – das bisher „Covid-19-Impfstoff AstraZeneca“ hieß – in Vaxzervria ist üblich und richtig…kommt aber zu spät. Der bisherige Name hat den Unternehmensnamen mitgeführt, was nicht optimal ist.

Global Player und nicht nur Impfstoff

Das Unternehmen ist einer der größten Pharmakonzerne, der bei einem Jahresumsatz von ca. 24 Mrd. USD in verschiedenen Therapiebereichen – nämlich u.a. im Bereich Onkologie, Neurologie und Herz/Kreislauf – tätig ist und unterschiedliche Produkte unter Produktmarken anbietet. So erzielte z.B. das Lungenkrebs-Medikament Tagrisso einen Umsatz von 4,3 Mrd USD im vorletzten Jahr und ist dabei lediglich eines der Milliarden Seller bei AstraZeneca. Die Impfstoffentwicklung ist „nur“ ein Teil der AstraZeneca-Produktwelt. Doch dieser bekommt z.Z. extreme Aufmerksamkeit, was wegen der aktuellen Situation absolut verständlich ist. Für viele ist AstraZeneca ein Impfstoff und kein Unternehmen, was ja nicht stimmt.

Umbenennung richtig zur Herstellung der richtigen Zuordnung

Genau das musste das Unternehmen ändern und einen Produktnamen für den Impfstoff einführen. Unternehmensname und Produktname mussten getrennt werden, da sonst keine klare Zuordnung möglich und negative Wechselwirkungen entstehen. Ohne Trennung ist die wichtigste Markenfunktion, nämlich die Zuordnungs- und Unterscheidungsfunktion gestört. Welche Folgen das hat, kann man aktuell sehen.

Was als Bekanntheits-Booster am Anfang für AstraZeneca positiv war, wirkt nun wie ein negativer Boomerang auf das Unternehmen, seine Aktivitäten und Marken. Die Unternehmensmarke hat dadurch, dass man als eines der ersten Unternehmen einen Impfstoff entwickelt hatte, stark profitiert. Nun ist der Impfstoff von AstraZeneca seit Monaten durch negative Meldungen belastet.  Dies wirkt sich nicht nur auf die Wahrnehmung des Impfstoffproduktes aus, sondern auch auf den gesamten Konzern sowie dessen Produkte in anderen Bereichen. Sogar der Börsenkurs des Unternehmens ist im letzten Halbjahr (im Gegensatz zum stark gestiegen BionTech-Kurs) erheblich gesunken, obwohl man weltweit einer der führenden Impfstoffhersteller ist und bei der Bewältigung der Pandemie einer der wichtigsten Player ist.

Entkopplung, aber leider spät

Impfstoff-Name und Unternehmen mussten entkoppelt werden. Diese Entkopplung hätte man durch eine Namensänderung frühmöglichst machen müssen. Denn so hätte man das Produkt eher in der Kommunikation vom Konzern entfernt. Negative Effekte hätten dann eher auf das Produkt beschränkt werden können. Zudem hätte man das dann auch gleich massiv mit kommunikativen Mitteln begleiten müssen, damit sich die neue Marke durchsetzt.

AstraZeneca hat diesen Schritt versäumt. Erst im Dezember 2020 wurde der neue Name Vaxzervria als Unionsmarke beim EU-Markenamt (EUIPO) angemeldet. Nur mal zum Vergleich: BionTech war nicht nur am schnellsten bei der Produktentwicklung, sondern auch bei der Markenanmeldung der Impfstoffmarke Comirnaty, die bereits im Mai 2020 erfolgte, also lange vor dem Impfstart. Auch die Kommunikation der Produktmarke Comirnaty erfolgte zu einem guten Zeitpunkt, nämlich im Zeitraum des Impfstarts.

Namensentwicklung und Prüfung ist aufwändig

Man muss jedoch auch wissen, dass die Namensentwicklung, die Namensprüfung und die nachfolgende Zulassung eines Pharmanamens durch die Behörden – z.B. durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) – trotz aktuell beschleunigter Verfahren ein sehr aufwändiger Prozess ist. Sowas dauert einige Monate. Doch hier hätte AstraZeneca eher fertig werden und frühzeitiger – ggf. vor dem Impfstart und begleitet von optimaler Kommunikation an die Öffentlichkeit gehen können. Dann wäre man nicht in das Kommunikations-Umfeld von starken Liefer-, Wirksamkeits- oder Risikothemen geraten.

Was ist zu empfehlen?!

Als Namensfinder lässt sich also immer empfehlen: Man kann nie zu früh mit einem guten Naming anfangen. Wer zu spät ist, den bestraft nicht nur das Leben, sondern auch der Markt. Die Umbenennung des AstraZeneca-Impfstoffs ist richtig, aber das Timing hätte besser sein können. Wo man jetzt mit vielen negativen Meldungen konfrontiert ist, wirkt die Umbenennung wie ein „Cleanwashing“, doch das Kind ist schon in den Kritik-Sumpf gefallen.

Was muss man jetzt tun?

Klar und kurz kommunizieren und richtigstellen. Position bewahren und den Sturm an sich vorbeiziehen lassen. Zuviel Contra-Kommunikation kann contra-produktiv sein und noch mehr negative Aufmerksamkeit auf einen ziehen. Es ist das gute Recht eines Unternehmens – das viele Produkte herstellt – und strategisch richtig seinen Firmennamen von seinen Produkten zu trennen. Jetzt muss man die Weichen für morgen, d.h. für die Zeit nach der akuten Pandemie, stellen. Dann wird der Impfstoff ein Produkt unter anderen sein. Dafür braucht man eine Marke. Diese neue Marke sollte konsequent kommuniziert werden, damit sie sich durchsetzen kann.

Und künftig: Sehr frühzeitig eine fundierte Namensstrategie nebst passendem Naming entwickeln und dies dann konsequent umsetzen!