“Medical-Naming”
von Peter A. Ströll LL.M. Eur / NAMBOS Geschäftsführer & Rechtsanwalt
Ob neue Werkstoffe, technische oder digitale Anwendungen – in der Dental-Branche gibt es rasante Innovationszyklen und ein wettbewerbsintensives Umfeld. Für eine schnelle und effektive Vermarktung brauchen Neuentwicklungen passende und rechtliche einwandfreie Produktnamen.
Der Markt für Dental-Technik wächst schnell und mit ihm der Bedarf an optimalen Markennamen. Hat man früher noch stark auf Abkürzungen oder Zahlen- und Buchstabenkombinationen gesetzt, werden heute immer öfter unverwechselbare Namen eingesetzt, damit sie sowohl von den Fach-Anwendern als auch von den privaten Nutzern – je nach Zielgruppe des Produkts – auf Anhieb verstanden werden.
Am Anfang steht die Strategie
Jeder Namensfindungsprozess braucht ein klares Briefing. Dabei geht es neben den anvisierten Zielgruppen und Einsatzbereichen auch um die Produkt- oder Firmenziele. Auch marken- und wettbewerbsrelevante Zusammenhänge oder Unternehmensgeschichte und -werte, die Zielländer, der Umfang des Markenschutzes und der Markenklassen sind wichtig. Daraus sollte eine klare
Produkt- und Markenausrichtung hervorgehen.
Abstrakt oder lexikalisch
Im Wesentlichen gibt es zwei Arten von Namen: Abstrakte – das können Kunstnamen Abkürzungen etc. sein – und rein lexikalische. Ein Beispiel: Für eine Dialysatorengeneration von B. Braun kreierte NAMBOS den Markennamen Xevonta. Bei der Namensentwicklung wollte man sich bewusst von deskriptiven Bezeichnungen im Wettbewerbsumfeld und im eigenen Unternehmen absetzen. Der neue Name ist völlig abstrakt und verfügt über ein sehr hohes Maß an Alleinstellung.
Beschreibende Namen wiederum werden nicht nur leichter verstanden, sie prägen sich auch schnell ein und lassen sich entsprechend einfach vermarkten. Ein Beispiel: Eine Spritze des Herstellers Schott verspricht eine hohe Medikamentenstabilität und eine sanfte Verabreichung. Dieser sanfte Vorteil für den Patienten findet sich im kreierten Namen InJentle wieder. Die sanfte Namensbedeutung wirkt positiv und nimmt die Angst vor dem nicht mehr so schlimmen Pikser.
Nachteile kennen und Vorteile nutzen
Allerdings: Beschreibende Namen lassen sich markenrechtlich nicht so gutmonopolisieren. Wenn ein Name für ein Produkt rein beschreibend ist – zum Beispiel der Name Apple für einen Apfelsaft oder ASS für ein Schmerzmittel – ist ein Wortmarkenschutz grundsätzlich gar nicht möglich. Denn beschreibende Bezeichnungen müssen auch Wettbewerbern zur Verfügung stehen und dürfen nicht durch Markenschutz von einem Markeninhaber zur alleinigen Nutzung monopolisiert werden.
Bei beschreibenden Produktnamen hat man den Vorteil, dass – wenn die Zielgruppen das Produkt noch nicht kennen – diese es schnell verstehen, als bekannt akzeptieren und nach dem Motto „was ich verstehe, das kaufe ich“ handeln. Allerdings können Nachahmer wegen des mangelnden Markenschutzes bei rein beschreibenden Namen in der Regel auch den Namen für ihr eigenes Produkt nutzen oder leicht abwandeln, ohne Markenrechte zu verletzen. Das ist für den First Mover schlecht, der vielleicht ein innovatives Produkt mit einem nicht schutzfähigen Namen auf den Markt gebracht hat. Denn er kann seinen Innovationsvorsprung ohne Markenschutz nicht optimal gegenüber Nachahmern verteidigen.
Diesen wesentlichen Nachteil kann man dadurch vermeiden, dass man kreative Namen entwickelt, die schnell verstanden werden, aber dennoch markenschutzfähig sind. So ist zum Beispiel die für Schott entwickelte Marke SyriQ von Medizinern schnell als Name für Spritzen (englisch: Syringes) zu verstehen. Durch die kreative Abwandlung mit dem iQ erlangt man aber die Möglichkeit des Markenschutzes (denn SyriQ ist nicht rein beschreibend) und zudem eine schöne Marketing-Story, denn iQ steht auch für die intelligenten Produkte. Ähnlich hat man das auch bei Nasic gemacht, welches – wie der Name schon ausdrückt – ein Nasenspray ist und erfolgreich von Klosterfrau vertrieben wird.
Alleinstellung durch Kunstnamen
Eine bessere Alleinstellung und die Möglichkeit der optimalen Monopolisierung hat man mit einem abstrakten Kunstnamen, der für einen Außenstehenden ohne Kenntnis des Produktes und ungestützt überhaupt keine Verbindung zum Produkt besitzt. Gutes Beispiel ist hier Aspirin, eine der ältesten eingetragenen Pharmamarken. Der Name hat zwar eine inhaltliche Herleitung, die für den „normalen“ Schmerzkunden aber nur sehr schwer nachvollziehbar und daher unwesentlich ist. Da Aspirin zur damaligen Zeit als Innovation auch ein First Mover war, konnte man mit diesem starken Markennamen den Markt optimal besetzen, und die Marke konnte dadurch – wie Tempo als erstes Papiertaschentuch – zum Synonym werden.
Diversifizierung und Zukunftsfähigkeit
Für einen abstrakten Kunstnamen benötigt man jedoch einen höheren Kommunikationsaufwand, weil er ja keine inhaltliche Verbindung zum Produkt hat und die Zielgruppen diese Verbindung erst einmal lernen müssen. Hatman diesen Aufwand aber erfolgreich geleistet, besitzt man durch die hohe Unterscheidungskraft auch eine sehr starke Marke, die man optimal gegen andere
verteidigen kann. Mangels einer klaren Bedeutung wird die Markennutzung bei Kunstnamen auch inhaltlich nicht eingeengt.
Aus dem B2C-Bereich ist Zalando dafür ein schönes Beispiel. Hätte man diese Unternehmung ShoeShop genannt, hätte das am Anfang zwar Kommunikationskosten erspart, aber man hätte darunter nur Schuhe verkaufen und nicht gegen andere ShoeShops vorgehen können. Auch die Aspirin-Erfinder haben mit ihrer Kunstnamen-Entscheidung viel richtig gemacht. Denn Schmerzmittel auf Acetylsalicylsäure-Basis gibt es viele, aber nur ein Aspirin, welches sich unter anderem als Aspirin Complex oder Aspirin PlusC optimal für unterschiedliche Anwendungen differenzierend nutzen lässt.
Wichtig bei einem Kunstnamen ist zudem, dass er unkompliziert, sympathisch sowie sprachlich einsatzfähig ist. So wirkt zum Beispiel der Kunstname Adimea, ein Echtzeit-Monitoring-Ver
fahren in der Dialyse von B. Braun, einfach positiv. Bei der Einführung hat man ihn zwar mit den wesentlichen Begriffen Dialysis und Measurement hergeleitet, um den Namen schnell verständlich zu machen, aber nach erfolgreicher Einführung ist die Herkunft eigentlich egal.
Juristisch einwandfrei – auch ohne EMA
Noch wichtiger als die Anmutung ist aber der rechtliche Schutz. Der beste Name allein nützt nichts, wenn er juristisch nicht wasserdicht ist. Das muss vor dem Markeneinsatz detailliert geprüft werden. Digitale und technische Innovationen müssen zwar nicht die strengen Prüfprozesse der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) durchlaufen, die im Schnitt 40 Prozent der eingereichten Produktnamen ablehnt. Doch auch sie können gesetzlichen Medizinprodukte Regelungen unterliegen. Zudem muss gesichert sein, dass mit dem neuen Namen nicht auch Markenrechte verletzt werden.
Apropos Markenrechte: Aktuell wird auch mit KI, sprich ChatGPT, bei der Namensfindung experimentiert. Dabei ist schon die Eingabe der notwendigen unternehmensstrategischen Informationen bedenklich. Letzten Endes kann ChatGPT nur lexikalische Zusammensetzungen aus dem bereits vorhandenen Datenmaterial vorschlagen. Im Falle eines Schmerzmittels wären das zum Beispiel PainReliefX, ReliefEase oder PainGone. Alle rein beschreibend und daher als Marke nicht schutzfähig. Zudem wäre hier auch das Arzneimittelgesetz missachtet.
ChatGPT kann also im besten Fall inspirieren. Wer ein innovatives Produkt auf den Markt bringen will, sollte also sicher stellen, dass der geplante Name sympathisch, einprägsam und möglichst monopolisierbar, aber vor allem juristisch abgesichert ist. Dann kann man seinen Innovationsvorsprung optimal vermarkten und für die Zukunft auch mit dem Markenschutz absichern